Geschichte

Historische Entwicklung der Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde an der Martin- Luther- Universität Halle-Wittenberg

Die Gründung dieser nach Leipzig zweitältesten zahnmedizinischen Gesellschaft in der ehemaligen DDR geht zurück auf den Befehl 124 der Sowjetischen Militäradministration (SMA) vom 21. Mai 1947, wonach an den ostdeutschen Universitäten medizinisch-wissenschaftliche Gesellschaften zum Zwecke der Demokratisierung von Wissenschaft und Gesundheitsfürsorge sowie Steigerung des Erfahrungsaustausches zu gründen waren. Die Medizinische Fakultät Halle erhielt auf ihren Antrag vom 5. Dezember 1947 von der Landesregierung Sachsen-Anhalts mit Aktenzeichen M 3091-2600/ 47 am 7. Januar 1948 die Genehmigung zur Gründung von medizinisch-wissenschaftlichen Fachgesellschaften.

Nach einer Terminverschiebung fand am 24. April 1948 im Beisein des Dekans und Mitgliedern der Medizinischen Fakultät und eines Vertreters der Landesregierung mit 321 Teilnehmern die Gründungsveranstaltung der „Medizinisch-wissenschaftlichen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde des Landes Sachsen-Anhalt“ in der Aula der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg statt [Dt.zahnärztl.Z.3 (1948) 652] .

Als Vorsitzender wurde Prof. Dr. Dr. Dr. h. c. mult. Erwin Reichenbach (1897 – 1973) gewählt und über 14 Jahre jährlich satzungsgemäß in dieser Funktion bestätigt. Unter seiner Präsidentschaft erlangte die Gesellschaft überregionale Bedeutung. Zunächst wurden die dringendsten Nachkriegsprobleme verhandelt, wozu kompetente Fachvertreter Europas gewonnen werden konnten. In den Referentenverzeichnissen finden sich praktisch alle namhaften Wissenschaftler ihrer Zeit von Balters bis Wassmund sowie Mitarbeiter und Professoren aus der Halleschen Schule, wie beispielsweise Dausch-Neumann, Dette, Grimm, Herfert, Klammt, Müller, Oertel, Plathner, Rehberg, Reumuth, Rudolph, Schneider, Schubert, Schulz, Schützmannsky, Spens. Hanna und Hermann Taatz sowie Taege. Alle Tagungsberichte wurden in ost- und westdeutschen Fachzeitschriften oder als Monografien u.a. in der von Korkhaus herausgegebenen Reihe „Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde in Vorträgen“ oder in der von Reichenbach editierten Reihe „Zahnärztliche Fortbildung“ publiziert.

Vorbereitung , Berichterstattung in deutscher und russischer Sprache sowie weitere administrative Erfordernisse und Versorgungsprobleme erschwerten während der Anfangsjahre in erheblichem Maße die Organisation und Durchführung einer jeden der von Regierungskreisen beargwöhnten Tagungen unter Reichenbach, die als wissenschaftlicher Sammelpunkt zwischen Ost- und Westeuropa fungierten. Gerade diese politisch unabhängige Entwicklung zog nach der am 13. August 1961 vollzogenen Trennung Deutschlands Auseinandersetzungen mit dem Ministerium für Gesundheitswesen nach sich, die zur vorzeitigen Emeritierung Reichenbachs im Herbst 1961 führten.
In der schwierigen Nachfolge musste Prof. Dr. Dr. Gottfried Schneider (1916 – 1987) sein Wirken dem Diktat der Dachgesellschaft unterordnend die Fortbildung für die Praxis und die Beratung des Bezirkszahnarztes bei der Entwicklung des öffentlichen Gesundheitswesens in den Vordergrund rücken. Auch war der Doktor-Titel nicht mehr Voraussetzung zur Mitgliedschaft. Der daraus resultierende sprunghafte Anstieg der Mitgliederzahlen auf etwa 1000 bei unzureichender Hotelkapazität in Halle gab Anlass zur Verlagerung der mehrtägigen Tagungen in FDGB-Ferienheime im Harz.
So wurden 1967 die auch überregional geschätzten „Harzer Fortbildungstage“ geboren [ R. Petz, G. Schneider, G. Schützmannsky: Stomatologische Gesellschaft an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. In: Hrsg. W. Künzel: Die Gesellschaft für Stomatologie der DDR 1964 – 1984. J. A .Barth, Leipzig 1984, S. 82 –87. ] . Zeitgleich mit dem krankheitsbedingten Ausscheiden Schneiders wurde von der Dachgesellschaft die Anbindung der Regionalgesellschaften an die (Regierungs-)Bezirke und damit die separate Gründung einer Magdeburger Gesellschaft verfügt [Stom. DDR 34 (1984) 318]. Das Gemeinschaftsgefühl mit den nunmehr abgespaltenen Mitgliedern durch Anregung einer Gemeinschaftstagung aufrecht zu erhalten war ein Anliegen des nachfolgenden Vorsitzenden, Prof. Dr. Edmund Bredy (geb. 1927), in den Jahren von 1984 bis 1988. Er bereicherte die regionale Fortbildung durch eine Filmmatinee und beschwor in seiner tiefsinnig humorvollen Art den kollegialen Geist. Es blieb den beiden Vorsitzenden der Magdeburger Gesellschaft (Prof. Dr. Dr. Raimund Petz, geb. 1928) und der Hallenser Gesellschaft (Prof. Dr. Dr. Sigurd Schulz, geb. 1937) vorbehalten, im Jahre 1991 die Wiedervereinigung dieser beiden Gesellschaften veranlasst zu haben [ Zahnärztl Mitt. 81 (1991) Nr.11 u. Vereinsregister des Kreisgerichts der Stadt Halle Nummer 273 ].

Zuvor war von Halle aus am 31. Januar 1990 die Initiative zur Lösung aller zahnmedizinischen Gesellschaften der DDR vom Diktat der Dachgesellschaft eingeleitet worden [Zahnärzt. Mitt. 80 (1990) Nr. 3 und Stom.DDR 40 (1990) 95 ]. Im Rahmen einer Gemeinschaftstagung vom 18. bis 20. Oktober 1990 fand gleichfalls in Halle die Auflösung der Gesellschaft für Kiefer-Gesichts-Chirurgie der DDR statt [Stom.DDR 41 (1991) 43 ]. Satzungsgemäß wurden jährlich eine eintägige Versammlung zumeist in Halle und eine mehrtägige Tagung in Gernrode, Friedrichsbrunn, Bad Kösen und gegenwärtig in Alexisbad abgehalten. Allerdings zeichnete sich bereits anlässlich der Jubiläumstagung zum 50jährigen Bestehen der Gesellschaft 1998 eine Kooperation mit der Zahnärztekammer des Landes Sachsen-Anhalt ab [ ZN-Sachsen-Anhalt (1998) Nr. 5]. So werden seit dem Jahre 2000 der „Zahnärztetag der Zahnärztekammer Sachsen-Anhalt“ und die Frühjahrstagung der Gesellschaft, verbunden mit einem Zahnärzteball, als Gemeinschaftstagung jährlich im Januar in Magdeburg durchgeführt [ ZN-Sachsen-Anhalt (2000) Nr. 2 u. Zahnärztl. Mitt. 90 (2000) Nr. 7 ].
Die wissenschaftliche Leitung dieser Veranstaltung liegt in den Händen des 2. Vorsitzenden der Gesellschaft, der seit Anbeginn vom Direktor der Magdeburger Klinik gestellt wird, um die Belange beider Universitäten und möglichst aller Zahnärzte des Landes gleichermaßen befriedigen zu können. Enge Kooperation mit der Kammer und der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK) unter Wahrung der Tradition der Halleschen Gesellschaft sind wesentliche Anliegen des seit dem Herbst 2000 amtierenden Vorsitzenden, Univ.-Prof. Dr. Hans-Günter Schaller (geb. 1954 ).

Über alle Tagungen liegen Berichte in Monografien, Fachzeitschriften oder Zeitungen und in den illustrierten „Tagungsbüchern der Gesellschaft“ vor, die wie die Akten und Jahresberichte im Archiv der Gesellschaft in den Räumen des Zentrums für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg gelagert werden. Die Gesellschaft zählt nach einem enormen Rückgang unmittelbar nach der Wiedervereinigung Deutschlands nunmehr seit 15 Jahren wieder etwa 500 Mitglieder, die sich zu einem gewissen Teil aus Absolventen der Halleschen Universität rekrutieren, die in der Gesellschaft eine Heimstatt für wissenschaftliche Fortbildung und Pflege des kollegialen Gedankenaustausches erkennen.

Die Gesellschaft wählte folgende Ehrenmitglieder:

Dr. med. dent. F. Boeckler
Prof. Dr. E. Bredy
Prof. Dr. K.-E. Dette
Prof. Dr. Eckert-Möbius
Dr. med. dent. K. Gaertner
Prof. Dr. Dr. R. Petz
Prof. Dr. Dr. Dr. h.c. mult. E. Reichenbach
Doz. Dr. Dr. H. Schmidt
Prof. Dr. Dr. G. Schneider
Prof. Dr. Dr. S. Schulz
Prof. Dr. Gisela Schützmannsky
OMR Dr. med. dent. G. Weins
Prof. Dr. H.-G. Schaller

Vorstandsvorsitzende:

1948 – 1961 Prof. Dr. Dr. Erwin Reichenbach
(1897 – 1973)
1962 – 1983 Prof. Dr. Dr. Gottfried Schneider
(1916 – 1987)
1984 – 1987 Prof. Dr. Edmund Bredy (* 1927 )
1988 – 2000 Prof. Dr. Dr. Sigurd Schulz (* 1937)
2000 – 2012 Prof. Dr. H.-G. Schaller (* 1954)
2012 – Prof. Dr. Christian Gernhardt (* 1970)

Zeitweilige Mitglieder des geschäftsführenden Vorstandes:

Dr. Boeckler, Frau Prof. Dr. Dausch-Neumann, Prof. Dr. Dette, Zahnarzt Freese, Dr. Gaertner, Zahnarzt Genzel, Prof. Dr. Dr. Gerlach, Prof. Dr. Dr. Grimm, Dr. Dr. Heiss, Dr. Hinze, Dr. Hinzmann, Dr. Hoffmann, ZA Jahn, Dr. Loog, PD Dr. Dr. Maurer, Zahnärztin Otto, Dr. Paulerberg, Prof. Dr. Dr. Petz, Prof. Dr. Plathner, Prof. Dr. Reumuth, PD Dr. Dr. Schmidt, Frau Prof. Dr. Schützmannsky, Frau Dr. Stolze, Prof. Dr. Taege.

Halle, im Oktober 2005
Prof. Dr. Dr. Sigurd Schulz